Die Gornemuse

Dr. Kurt Hubacher, Der Seebutz 1995, Heimatbuch des Seelandes und Murtenbiets, ISBN 3-906140-21-0

Sie wissen sicher, dass eine Cornemuse der fränzösische Begriff für Dudelsack oder Sackpfeife ist. Es ist aber auch der Name einer Rebparzelle im Vingelzer Rebberg vor den Toren der Stadt Biel. Nur wird die Rebe hier mit G geschrieben und auch ausgesprochen und sie hat, nebst ihrem eigenartigen Namen auch eine ganz besondere Geschichte. Die Gornemuse-Rebe liegt in schönster Hanglage über dem See unterhalb der Tessenbergstrasse, bevor diese im Wald verschwindet. Ihre Geschichte könnte mit einer zweiten Geschichte zusammenhängen, die ich zuerst erzählen will.

Wandmalerei, ca. 1625, Rebhaus Wingreis
Ländliche Tanzszene, Wandmalerei, ca. 1625, Rebhaus Wingreis

Zu Beginn der siebziger Jahre ist das letzte der einstmals 30 bernpatrizischen Rebgüter am Bielersee veräussert worden. Die Berner Familie Thormann verkaufte, unter dem Eindruck der Landschaftszerstörung durch den Verkehrsstrang am Nordufer, ihre 350 Jahre alte Rebcampagne in Wingreis und später auch das Rebgut. Die Stiftung, die das Herrschaftshaus und die Nebengebäude in «Rebhaus Wingreis» umtaufte, restaurierte das Haus vom Keller zum Dachgiebel. Eine erstaunliche Bausubstanz aus dem frühen 17. Jahrhundert wurde zu Tage gefördert, und heute ist das Haus als Wahrzeichen einer geschichtlichen Epoche des Weinbaus am Bielersee der Öffentlichkeit zugänglich. Eine Überraschung gab es, als der Restaurator unter zerschlissenen Tapeten und Gipsschichten eine Wandmalerei entdeckte, welche den vormaligen Besitzern unbekannt war. Sie zeigt eine ländliche Tanzszene, umrahmt von mittelhochdeutschen Versen und ist um 1625 zu datieren. Zum Tanz spielt ein Trio auf mit Flöte, Laute und Dudelsack. Auffallend ist besonders der Dudelsack, der früher bei der ländlichen Bevölkerung sehr verbreitet war, heute aber völlig verschwunden ist.

Gornemuse Vingelz 19.09.2004
Gornemuse in Vingelz

Diese Tanzszene in Wingreis könnte einen Zusammenhang haben mit der zweiten Geschichte. In der Vingelzer Gornemuse, dort wo das schöne Haus von Architekt Max Schlup steht und in der Hausrebe der goldgelbe Wein gleichen Namens reift, soll am Ende des Mittelalters eine Herberge gestanden haben. Zur Zeit, als am See noch keine andere Verkehrsmöglichkeit bestand als der Transport per Schiff, führte als einzige Verbindung zu den Rebdörfern ein steiler, steiniger Weg, der sogenannte «Rossweg» von den Toren Biels zum Vingelzerwald hinauf und von dort über Felsen und Steilhänge gegen Alfermée. Mancher Wanderer oder Reitersmann war wohl froh, dort oben in der Herberge Rast zu machen, ehe er den unwirtlichen Weg in Angriff nahm.

Nun weiss die Legende zu berichten, dass drei oberitalienische Musikanten in dieser Herberge ihr Standquartier bezogen hatten, nachdem sie wegen liederlichen Lebenswandels aus den Mauern der Stadt Biel fortgejagt worden waren. Hier spielten sie ab und zu zum Tanz auf und waren auch an den Kirchweihen von Twann und Ligerz anzutreffen. Die drei wilden Gesellen verstanden es, gar lüpfige Weisen aus ihren Instrumenten zu zaubern. Aber ihre dunklen Augen erspähten während ihres Spiels auch etwa eine prall gefüllte Geldkatze an einem Gürtel. Wenn dann ihr Besitzer in später Nacht in weinseliger Stimmung nach Hause wankte, packten ihn ein paar derbe Fäuste und - weg war die Geldkatze. Als sie es dann zu bunt trieben und die Sache ruchbar wurde, haben die Landsknechte des Vogts von Nidau die Herberge ausgeräuchert, die Gesellen gepackt und in den Turm gesteckt. Einer indessen sei den Häschern entwischt und habe bei einem Mädchen Unterschlupf gefunden, das sich in seine feurigen Augen vergafft hatte. Seither soll es in dieser Familie bis zum heutigen Tage immer wieder einen Buben oder ein Mädchen mit Kraushaar und schwarzen Augen gegeben haben. Den zwei andern hingegen habe der Landvogt zu Nidau alles andere als «zu einem lustigen Dantz» aufgespielt.

Gornemuse Vingelz 19.09.2004
Gonere

Könnte die Tanzszene in Wingreis in Zusammenhang mit dieser Geschichte stehen? Wir wissen es nicht. Schön aber ist es, dass die Kinder des Quartiers im Winter auf der «Gonere» schlitteln und dass wie eh und je in der Gornemuse ein spritziger Wein reift.

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